Darmstadt

C'est moi, Michel

(Mischäll war ursprünglich mein Pseudo im französchen VeloSoleX-Forum und sollte eher der "Deutsche Michel" bedeuten, aber ich glaube, den kennt in Frankreich sowieso keiner)
Wo komme ich her?
Französchischer Einfluß (ich glaube aus der Zeit der napoleonischen Feldzüge) dokumentiert sich noch in der Mundart meiner Heimatregion: "Mach kaa Fissematende" (Duden: Fisimateten = Ausflüchte, Flausen). Dieser Ausdruck ist angeblich auf die Warnung besorgter Mütter vor den Verführungskünsten französischer Soldaten ("visite ma tente!") zurückzuführen ;)
Hintergrund für das Foto weiter ist die im Volksmund so genannte "Gischtmauer" (nicht-hessisch: Gichtmauer, da sich hier gern etwas ältere Herrschaften, als ich es bin, den Rücken wärmen). Sie ist die Umgrenzung einer Landgräflichen Fasanerie im Osten meiner Heimatstadt.
Damit Schluss mit dem "Drumerumgebabbel":
Ei, isch bin von Da(r)mstadt!
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Die Darmstädter Innenstadt wurde 1944 fast vollständig zerstört.

Einige Dinge, die heute noch auf dem Flohmarkt oder dem Sperrmüll auftauchen, geben Hinweise auf Darmstadts verlorenes Stadtbild und wecken stets mein Interesse.

Hier zeige ich eine Auswahl solcher Fundstücke:



Ein altes Foto, das ich in einem Schuhkarton auf dem Sperrmüll gefunden habe, zeigt eine Straße im Woogsviertel, das 1944 völlig zerstört wurde.

Noch heute klaffen Lücken in der Bebauung, die Schule im Hintergrund hat immer noch ihr Notdach aus der Nachkriegszeit.


Das Haus im Zentrum des alten Fotos ist nur noch als mit Dachpappe gedecktes Kellergeschoss erhalten. An das Milchlädchen rechts im Bild erinnert noch ein Sandstein mit Inschrift, den der Bauherr des neuen Hauses wohl aus den Kriegstrümmern gerettet hat.
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Es gab vor 100 Jahren noch dutzende kleiner und großer Brauereien in Darmstadt.

Alte Bierflaschen aus der Zeit um 1900 dokumentieren die Geschichte dieser Brauereien und diverser Getränkehändler.

Hier eine Flasche der Dr. Winckler'schen Mineralwasseranstalt
(vielleicht noch aus der Zeit des berühmten Darmstädters
Justus von Liebig)
über die ich bisher keine weiteren Erkennnisse habe.
Ein Postkartenalbum
In jugendlichem Leichtsinn habe ich es vor Jahrzehnten vom Dachboden eines einsturzgefährdeten Hauses im Martinsviertel gerettet.



Hier hat vor 100 Jahren ein Verehrer der Großherzoglichen Familie Postkarten gesammelt. Besonders das "Prinzesschen" Elisabeth wurde von den den Darmstädtern sehr geliebt und sein tragischer Tod im Jahr 1903 wird mit Zeitungsausschnitten und Postkarten ausführlich dokumentiert.
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Eine Britische Stabbrandbombe,

wie sie massenweise in der sogenannten Brandnacht im September 1944 über Darmstadt abgeworfen wurden. Sie finden sich auf verwilderten Grundstücken noch heute, dort, wo sie vor 60 Jahren in unbebautes Gelände einschlugen.

Das lag in der Schublade eines Schreibtischs, der zum Sperrmüll gestellt wurde:

Ein Bombensplitter eingewickelt in ein Zeitungsblatt von 1944.

Das sechskantige Gussteil ist der Fuß einer britischen Stabbrandbombe. (Mein Vater und seine Schulkameraden benutzten diese Dinger als Briefbeschwerer).

Einer der schönen alten Hydrantendeckel,

die leider aus dem heutigen Darmstädter Straßenbild völlig verschwunden sind. Dafür ist ein Sammlerwahn verantwortlich, den ich eher als Vandalismus bezeichnen möchte. Diesen (beschädigten) Deckel habe ich vor Jahren aus den Kriegstrümmern von einer Halde gerrettet, die inzwischen renaturiert wurde. Er trägt das Darmstadt-Wappen noch mit Kanonenkugel und ohne die Landeskrone, die erst seit 1917 dem Residenzstadt-Wappen zugesprochen wurde.

Eine Tasse aus dem Schlosscafé

mit Jugendstil-Ornamenten und Landeswappen. Direkt am Residenzschloss (Rheinstraße 2) war es ein Café in erster Lage. Die Tasse verlor einst ihren Henkel und landete auf der Müllhalde. 90 Jahre später fiel dort ein stattlicher Baum um und mit seinen Wurzeln kam die Tasse wieder ans Tageslicht.

Ein Werbegeschenk der Darmstädter Weinhandlung Kleber?

Vielleicht hing diese Kleiderhaken-Leiste aber auch in einer der vielen einfachen Altstadtkneipen. Nur ein Haus der Darmstädter Altstadt blieb im Feuersturm 1944 unbeschädigt: Die goldene Krone, eine Kneipe!

Eine Spar-Uhr der Stadtsparkasse Darmstadt

Nach dem Einwurf einer Münze bis 50Pfennig (bis 20EuroCent geht auch) lässt sich die Uhr aufziehen und läuft dann einen ganzen Tag. Die Stadtsparkasse hatte den Schlüssel und der Inhalt kam aufs Konto.

Eine Flasche des Papierhauses Elbert (Hoflieferant),

die wohl Tinte enthielt. Elbert befand sich meines Wissens in der Kirchstraße. Die Flasche, mit erhabener Prägeschrift im dunkelroten Glas, ist noch in (mechanisch unterstützter) Handarbeit im Holzmodel geblasen.

Ein kleiner Handspiegel,

Werbegeschenk des Hutgeschäfts Zessler. Das Spiegelchen ist in Zelluloid gefasst mit der Werbeaufschrift auf der Rückseite. Was aus dem Geschäft geworden ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Selbst die Marktstraße gibt es heute nicht mehr.

Mehrere Salbentöpfchen verschiedener Apotheken

von 7,5 bis 75cl aus Porzellan, deren Zelluloiddeckel fein gestaltete Aufschriften und Motive zeigen. Die Hirsch-Apotheke gab es bis 2008 noch in der selben Straße. Das Gebäude ist allerdings aus den 50er Jahren, denn auch dort blieb 1944 kaum ein Haus stehen.

Ein Tellerchen mit Werbung für Thomas Porzellan,

das bei Olitzsch verkauft wurde. Olitzsch gab es vor ein paar Jahren noch am Markt, dann wurde plötzlich das gesamte Inventar verramscht - wieder ein Traditionsgeschäft weniger.

Porzellandeckel einer Milchflasche

Diesen habe ich auf dem frisch gepflügten Oberfeld gefunden. Die Molkerei war Großherrzoglich Hessischer Hoflieferant. Wo sie angesiedelt war, ist mir nicht bekannt.

Der Unterteller einer Kaffeetasse aus dem Britannia Hotel.

War es ein Darmstädter Hotel? Der Fundort (Erdaushub einer alten Schutthalde) spricht dafür; ebenso der Name Noack, der in Darmstadt nicht unbekannt ist (es gab einen Hofmaler dieses Namens).
Nachtrag: Das Britannia war tatsächlich von 1892 bis 1944 ein luxuriöses Hotel in Darmstadt, in der Rheinstraße 35!

Händlerstempel der Musikalienhandlung ARNOSO

Auch Händlerstempel des heute noch existierenden Juveliers und Uhrmachers Techel finden sich auf den Hüllen von Schellackplatten.

Eine einfache und wunderbar erhaltene diatonische Handharmonika
der Musikalienhandlung K. Jäger Darmstadt.

Die Tastenknöpfe sind aus Perlmutt und der Schallaustritt hat eine Zierblende mit volkstümlichem Laubsäge-Motiv. Ein Instrument für's Volk, das vielleicht in den einschlägigen Altstadtkneipen ertönte...

Händlerstempel auf Schellackplattenhüllen und einem Plattenkatalog.

Jäger, Georgenstraße 11 - vielleicht jener K.Jäger, der auch Musikinstrumente verkaufte?
Und wo war die Georgenstraße?

Eine ODOMA-Schreibmaschine!

Ein Fundstück vom Darmstädter Flohmarkt - wieder ein erlebbares Stück Stadtgeschichte, wie ich es schätze.
Die Schreibmaschine wurde in den 20er Jahren im Darmstädter ODOMA-Werk (Inhaber Eugen Esswein) produziert. Der ursprüngliche Name ODO leitete sich laut Zeitzeugenberichten vom Namen des Bruders des Fabrikanten ab, der als Jagdflieger im ersten Weltkrieg abgestürzt war.

Zwei Farbbanddosen aus grünem und rotem Bakelit.

Ein Darmstädter Händler für Büro- und Zeichenbedarf. Heute noch gibt es ein Geschäft dieses Namens in der Rheinstraße.

Ein kleines Brillenetui vom Hofoptiker Pfersdorff.

Ich datiere dieses Fundstück noch ins 19.Jahrhundert. Dafür spricht die alte Schreibweise von Luisenplatz (mit ou statt u) und das "biedermeierische" Aussehen. Am Luisenplatz gibt es keinen Optiker mehr. Aber ein Optiker Pfersdorff ist unweit des Weißen Turms zu finden.